Auch in Sachsen muss der Weg zur Wahlurne ab dem 16. Geburtstag offenstehen!

2024 dür­fen die 16- und 17-Jähri­gen in Sach­sen erst­mals an der Europawahl teil­nehmen. Anders als in den meis­ten anderen Bun­deslän­dern soll ihnen die Teil­nahme an Kom­mu­nal- und Land­tagswahlen jedoch ver­wehrt bleiben. Die Links­frak­tion hat einen Geset­zen­twurf vorgelegt (Druck­sache 7/12706), der das Wahlal­ter bei Kom­mu­nal­wahlen, Land­tagswahlen sowie bei Volk­santrä­gen, Volks­begehren und Volk­sentschei­den auf 16 Jahre absenken soll. Dazu hörte der Recht­sauss­chuss heute Sachver­ständi­ge. Anna Gorskih, Sprecherin für Demokratiepoli­tik sowie für Kinder- und Jugend­poli­tik, erk­lärt:

„Wie absurd müsste es jun­gen Men­schen vorkom­men, wenn man ihnen zwar zutraute, das EU-Par­la­ment mit zu beset­zen, nicht aber ihren Gemeinde- oder Ortschaft­srat? Mehr als zwei Drit­tel der 16- und 17-Jähri­gen in Deutsch­land dür­fen bere­its Gemein­deräte und Kreistage wählen. In Baden-Würt­tem­berg, Bran­den­burg, Bre­men, Ham­burg, Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Schleswig-Hol­stein gilt das Wahlal­ter 16 bei Land­tags- und Kom­mu­nal­wahlen. Es gibt eine klare Ten­denz, das Wahlrecht schrit­tweise auf immer jün­gere Men­schen auszudehnen.

Die CDU muss ihre Block­ade­hal­tung aufgeben. Es ist unglaub­würdig, wenn sie jun­gen Men­schen die Reife zum Wählen abspricht. Schließlich dür­fen 16-Jährige in vie­len Bun­deslän­dern bere­its wählen. 16-Jährige dür­fen zum Beispiel auch ohne Beschränkun­gen Mit­glied der CDU wer­den, in Sach­sen die CDU dann aber nicht wählen. Das ist doch kaum zu ver­mit­teln.

Poli­tis­ches Inter­esse und Engage­ment der Jugendlichen sind in den let­zten Jahren stetig gewach­sen. Junge Men­schen kön­nen noch aktiv­er für ihre poli­tis­chen Inter­essen ein­treten, wenn ihnen der Weg zur Wahlurne offen­ste­ht. Was für die Europa­poli­tik gilt, muss auch für die Lan­despoli­tik, die Kom­mu­nalpoli­tik und die Volks­ge­set­zge­bung gel­ten. Viele Argu­mente sprechen dafür. Recht­fer­ti­gen müssten sich eher diejeni­gen, die den 16- bis 17-Jähri­gen diese Form demokratis­ch­er Teil­habe voren­thal­ten woll­ten.”

Der als Experte geladene Dr. Dominik Lück, Fachan­walt für Ver­wal­tungsrecht, erk­lärt:

„Auch juris­tis­che Argu­mente gegen eine Wahlal­ter-Absenkung kön­nen entkräftet wer­den. Gerichtlich ist die Möglichkeit der Wahlal­ter-Absenkung durch den Ver­wal­tungs­gericht­shof Mannheim 2017 und in Thürin­gen 2018 durch den Ver­fas­sungs­gerichthof bestätigt wor­den. Ver­fas­sungsrechtlich spricht also nichts gegen eine Absenkung des Wahlal­ters auf 16 Jahre. Auch der als Gege­nar­gu­ment vor­brachte Gedanke ein­er ver­meintlich nicht aus­re­ichend vorhan­de­nen Reife der 16- und 17-Jähri­gen hält ein­er ver­fas­sungsrechtlichen Prü­fung nicht stand. Denn das Vorhan­den­sein poli­tis­ch­er Ein­sichts­fähigkeit und ein Ver­ständ­nis für Wahlen kann dieser Alters­gruppe nicht abge­sprochen wer­den.“

Anna Gorskih führt abschließend aus:

„Das Wahlrecht ist aus unser­er Sicht ein Grun­drecht und ste­ht allen Men­schen ohne ‚Qual­i­fika­tion­sprü­fung‘ zu. Grun­drechte dür­fen nicht von Bil­dungs­grad, Informiertheit, Gemüts- oder Gesund­heit­szu­s­tand der Wahlberechtigten abhän­gen. Auch ein sehr hohes Leben­salter mit den oft damit ver­bun­de­nen gesund­heitlichen oder kog­ni­tiv­en Entwick­lun­gen führt – völ­lig richtiger­weise – nicht zum Auss­chluss vom Wahlrecht. Insofern erscheint auch jede Beschränkung nach unten willkür­lich. Alle, die wählen gehen wollen und sich emo­tion­al und kog­ni­tiv dazu in der Lage fühlen, soll­ten dies tun dür­fen.“