politics & chill in Wurzen
Am 8. Februar war ich auf Einladung der Linksjugend Westsachsen in Wurzen und habe mich in einem lockeren Rahmen über das Thema Jugendbeteiligung ausgetauscht.
Grundsätzlich ist die Beteiligung von Bürger*innen an politischen und gesellschaftlichen Prozessen eine Grundvoraussetzung für die demokratische Gesellschaft. Die politische und gesellschaftliche Beteiligung von Jugendlichen ist dabei mindestens genauso wichtig. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird sie umso bedeutender, weil Kinder, Jugendliche und junge Menschen heutzutage im Gegensatz zu früheren Generationen eine gesellschaftliche Minderheit bilden. Deswegen können sie ihre Interessen häufig nur eingeschränkt durchsetzen. Denn die Älteren bilden rechnerisch gesehen die Mehrheit und bestimmen damit politische Entscheidungen mit, die maßgeblich das Leben junger Menschen berühren (z.B. Brexit-Abstimmung). Außerdem tendieren Politiker*innen ganz häufig dazu, Politik an ebenjenen vorbei zu machen, die am längsten von deren Entscheidungen betroffen sein werden – bestes Beispiel Klimapolitik – denn, um es salopp auszudrücken, mit den wenigen jungen Menschen lassen sich keine Wahlen gewinnen, also werden häufig vor allem die Interessen der zahlenmäßig stark vertretenen Älteren bedient. Genau deswegen braucht es hier aus meiner Sicht dringend neuer Regelungen, damit auch die Stimmen und Interessen der heutigen jungen Generation im politischen Willensbildungsprozess stärker berücksichtigt werden. Eine Option wäre: das Wahlalter endlich senken! Als linksjugend [’solid] Sachsen machen wir uns für ein Wahlrecht ab Geburt stark, sprich fürs Wahlalter Null. Falls ihr euch näher darüber informieren wollt, wie wir uns das vorstellen und was unsere Argumente für diese Forderung sind, findet ihr hier mehr Infos. Aber auch schon Wählen mit 16 wäre in Sachsen, einem der wenigen Bundesländer, wo das bei Wahlen zu Kommunal- und Landesparlament noch nicht geht, ein riesiger Fortschritt.
Aber (Jugend)Beteiligung bedeutet nicht lediglich alle paar Jahre wählen zu dürfen. Beteiligung und Partizipation sind auch nicht etwas, was mensch schon immer kann, sondern muss erst erlernt werden, und zwar in Auseinandersetzung mit Anderen in verschiedenen Lebensbereichen und an unterschiedlichen Orten des Aufwachsens. Kinder- und Jugendbeteiligung beginnt damit schon viel früher: in der Familie, in der Kita, in der Schule, im Verein, im Jugendverband, im Jugendparlament und und und.
Dabei liegen die Grenzen der Kinder- und Jugendbeteiligung ganz häufig in den Köpfen von Erwachsenen. Diese trauen jungen Menschen so manches nicht zu oder nehmen sie nicht ernst. So haben die Jugendlichen auch während unserer Austauschrunde von Barrieren und Blockaden seitens politischer Verantwortlicher berichtet, an die sie stoßen, wenn sie sich in ihren Kommunen und Gemeinden einbringen wollen. Zum Glück ticken nicht alle Erwachsenen so und es gibt auch sehr positive Beispiele, wo Kommunalpolitiker*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Jugendliche sich gemeinsam dafür einsetzen, dass es z.B. in ihrer Stadt ein Jugendparlament gibt. Natürlich gibt es nicht nur institutionalisierte, repräsentative Beteiligungsformen wie gewählte Jugendvertretungen, sondern darüber hinaus auch offene, projektbezogene sowie auch Mix-Formen der Beteiligung. Jede Kommune muss daher für sich selber klären, welche Form der Jugendbeteiligung am sinnvollsten und machbarsten ist. Dafür braucht es aber engagierte und offene Stadträt*innen, Bürgermeister*innen und Verwaltung, denn wenn der politische Wille fehlt, kann es für Jugendliche schnell schwierig werden. Dabei könnten mehr und unterschiedliche Möglichkeiten der Beteiligung gerade in den von Abwanderung gezeichneten ländlichen Räumen neue Chancen bringen und deren Attraktivität steigern. Die großen Hürden sind hier vor allem: Infrastruktur und Mobilität. Beteiligung ist eben schwierig, wenn der Bus nur zwei Mal am Tag fährt. Und was bringt mir ein cooles Projekt im Nachbarsort, wenn ich ihn gar nicht erreichen kann. Das muss sich ändern! — sagen auch die Teilnehmenden bei unserem Austausch. Es braucht einen flächendeckend gut ausgebauten ÖPNV, der regelmäßig fährt. Außerdem braucht es Infrastruktur wie z.B. Räume, wo sich Jugendliche treffen können. Und es braucht eine für Jugendbeteiligung offene Erwachsenenwelt. Eine weitere große Hürde ist nach Ansicht der Teilnehmenden die Bürokratie. Das kann insbesondere die Jugendlichen demotivieren, wenn sie, bevor sie mit ihrem Projekt loslegen können, erstmal Projektförderungsanträge schreiben sollen. Dann dauert es schonmal mehrere Monate, bis sie die ersten Rückmeldungen erhalten. Das alles muss unkomplizierter gehen. Außerdem wünschen sich die Teilnehmenden mehr Austauschformate, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Meinungen auszutauschen – offene Diskussionsabende, politische „Stammtische“, wo sowohl Erwachsene als auch Jugendliche sich über verschiedene aktuelle Themen austauschen können.
Es ist also noch einiges zu tun, packen wir es an!